INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES e.V. -  ISMPS




AKADEMIE

FÜR KULTUR- UND WISSENSCHAFTSWISSENSCHAFT - ABE



dokumentationen

& berichte

ISMPS


anlass:


einführung der

ethnomusikologie & ästhetik

kultur- urbanologie und musikforschung
in den hochschulstudien brasiliens

vor 50 jahren


neue diffusion
ein dokumentationsprojekt




zur Information
über Studien und Initiativen
in internationalen Kontexten

und als Arbeitsunterlagen

ND – neue diffusion –  ist ein offenes online-Projekt zur Dokumentation von global orientierten Initiativen und Aktivitäten in Forschung, Lehre und Praxis, die Mitte des 20. Jahrhunderts in São Paulo einsetzten und bis heute fortwirken. In ihm werden Materialien veröffentlicht, die in den Archiven der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft (ABE) des Instituts für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes (ISMPS e.V.) in Deutschland und in Brasilien aufbewahrt werden.


Die Rückblicke dienen der Information über die Studien, akademischen Arbeiten, Forschungen, Studienreisen, Tagungen und Lehrveranstaltungen von über einem halben Jahrhundert. Sie möchten zur Diffusion von Wissen über geleistete Arbeiten und Aktionen, über diskutierte Themen, theoretische Ansätze und Ergebnisse von Überlegungen und Debatten beitragen. Dieses Anliegen ist aus einer Bewegung entstanden, die eine Erneuerung anstrebte von Theorie und Praxis in allen Bereichen des Wissens durch die Diffusion von Denk- und Sichtweisen, die prozessorientiert sind. Sie fokussiert und analysiert Diffusionsprozesse in Gesellschaft und Wissenschaft.



Das Neue in der Bewegung Neue Diffusion bestand darin, eine psychisch-mentale Disposition zu verbreiten, die einer Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse und somit auch auf Diffusionen begünstigte: Neue Diffusion war somit als Diffusion des Ansatzes der Analyse von Diffusionen und der daraus entstandenen Konsequenzen in Theorie und Praxis zu verstehen. Die Ergebnisse als Folge von Prozessen für die Erkenntnisgewinnung, für Kulturarbeit, Erziehung und Einstellung zu Welt und Mensch wurden zum Gegenstand der Studien und Aktionen.


Durch die Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse und ihre Interaktionen sollte Fließendes, Bewegendes, sich Veränderndes, Wandelndes und zugleich Transformierendes und Spektrales in den Mittelpunkt der Beobachtungen und Untersuchungen treten. Das Interesse sollte sich auf die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Prozessen konzentrieren, die durch Trennungen und Grenzen hindurchgehen und sie somit durchlässig machen, überwinden und auflösen.


Dieser Ansatz sollte zu der Entstehung einer Einstellung und Sichtweise beitragen, die zur Überwindung von Abgrenzungen und abgegrenzten Sphären, von trennenden Kategorisierungen der Gegenstände von Betrachtungen und damit von starren Trennungen von Wissens-, Forschungs- und Fachbereichen führen könnte.


Das Überwinden von einem „Denken in Schubladen“ sollte auch zur Durchlässigkeit von Trennungslinien zwischen sozialen Klassen, Kultursphären, ethnischen Gruppen, zur Überwindung rassistischen Denkens beitragen und damit auch Diskriminierungen, Ausschließungen und Marginalisierungen entgegenwirken. Von der Analyse von Prozessen ausgehend richtet sich das Denken auf die Ethik, auf Grundsätzliches und Allgemeines, auf Menschen- und Tierrechte, auf die Bewahrung der Natur, aber auch auf Ursachen, Prinzipien und Mechanismen eines Systems von Vorstellungen und Bildern der Weltsicht, die die Menschen kulturell konditionieren.


Der prozessorientierte Ansatz wurde für das Leben und die Kultur in all ihren Aspekten in einer Megalopolis wie São Paulo, die Migranten verschiedenster Provenienz aus allen Kontinenten und anderen Regionen Brasiliens beherbergte, die von einer umfassenden Dynamik stetiger Veränderungen erfasst war, als unabdingbar erkannt. Die Bewegung Nova Difusão sollte diese Prozesse, die die Metropole durchdrangen, wissenschaftlich reflektieren, durchdringen und begleiten. Die Beobachtung von Prozessen und die Forderung, Grenzen durchlässig zu machen, betrafen Sphären, Räume und somit Raum-Auffassungen. Sie hingen untrennbar mit Architektur- und Stadtanalysen zusammen und waren somit urbanologisch orientiert.


Die Überlegungen, Forschungen und Arbeiten wurden bis in die Gegenwart unter dem Aspekt durchgeführt, dass eine Wissenschaft der Kultur – mit all ihren Ansätzen und Wendungen – unbedingt von Studien der Wissenschaft selbst begleitet werden sollte. Eine Kulturwissenschaft, die Prozesse – und somit vornehmlich Fließendes, in der Zeit Verlaufendes, sich Wandelndes, Tendenzen – fokussiert, muss berücksichtigen, dass auch der Wissenschaftler Prozessen unterworfen ist.


Die Beachtung und Analyse von Interaktionen von Prozessen sowohl hinsichtlich der zu beobachtenden Fakten als auch des Beobachters, in die sich der Erkenntnissuchende einfügt, d.h. seine Kulturkonditionierung, ist unabdingbar. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Prägungen, eine Analyse des Forschenden selbst ist Voraussetzung für einen reflektierten, fairen Dialog mit dem zu Betrachtenden. Sie führt zu einer Durchlässigkeit der Trennung zwischen Forscher und dem Erforschten, zu einer Gegenseitigkeit, die Veränderungen auf beiden Seiten bedingt. Sie verspricht Fortschritte bei der Erkenntnisgewinnung in einer Gegenwart und Zukunft, die von Demokratisierung des Wissens und Globalisierung bestimmt ist.


Da die Wissensproduktion innerhalb der Kulturforschung in all ihren Aspekten nicht ohne Berücksichtigung der Kulturkonditionierung desjenigen, der sie produziert und verbreitet, untersucht werden kann, sind Analysen der Netzwerken, in denen Wissen, Ansichten und Deutungen weitergetragen werden und sich verändernd ausbreiten, notwendig.


Die Aufmerksamkeit richtet sich damit auf die Analyse der zu beobachtenden Gruppen, die in der Lehre und Forschung aktiv sind, auf die Analyse ihrer Ansätze, Methoden, Denk- und Sichtweisen im Rahmen ihrer Herkunft, Ausbildung, Mentoren und überhaupt auf die Forschungeschichte.  In den Vordergrund treten das Studium und die Rekonstruktionen von sozio-kulturellen und akademischen Netzwerken, ihrer Strukturen und Mechanismen, Interdependenzen, gegenseitigen Forderungen und Differenzen.

ISMPS

Dieses Anliegen leitet die Studien, Debatten und Unternehmungen der Akademie für Kultur- und Wissenschaftswissenschaft, die vom Institut für Studien der Musikkultur des portugiesischen Sprachraumes e.V. getragen wird und in ihrer Orientierung und ihrem geschichtlichen Verlauf auf die Bewegung Nova Difusão zurückgeht.


Die kultur- und wissenschaftswissenschaftlichen Arbeiten der letzten Jahrzehnte wurden in portugiesischer Sprache in der online-Zeitschrift Revista Brasil-Europa veröffentlicht, die somit für die portugiesischsprachigen Länder zur Verfügung steht. Sie träg damit dem Anliegen der Diffusion der gewonnenen Erkentnisse und Erfahrungen prozessorientierter Forschung im Sinne der Nova Difusão Rechnung. Die Sprachbarriere erschwerte jedoch ihre angemessene Rezeption für deutschsprachige Interessenten und Forschungskreise.


Ungenügende Kenntnisse der Beweggründe, theoretischen Ansätze und Kontextualisierungen der angestellten Überlegungen, Debatten und geleisteten Arbeiten in internationalen Kooperationen von Jahrzehnten beeinträchtigen eine angemessene Berücksichtigung der Forschungsgeschichte in all ihrer vielfältigen Beziehungen. Sie begünstigen Wiederholungen, Denken von bereits Gedachtem und Erprobtem und somit verzerrte Darstellungen von Entwicklungen. Mit dem Projekt ND sollen dokumentarisch belegte Subsidien geboten werden, um Missstände erkennbar werden zu lassen und damit Entwicklungen entgegenzutreten, die den Fortschritt der Wissenschaft beeinträchtigen.







Dr. Harald Hülskath

Geschäftsführer

ABE/ISMPS



Triumphbogen des Handelplatzes in Lissabon

ISMPS

Bilder: Allegorien am Triumphbogen des Handelplatzes in Lissabon und Brücke des 25. April über den Tejo-Fluss